Letzten Freitag wurde kein Lottomillionär geboren, sondern ein Geschäftsmann, der weiss war er will, hat in einer Zwangsversteigerung das grosse Los gezogen. In deutschen Zeitungen liest man Titeln wie: "Privatmann trickst Amt aus" oder "Für 1000 Euro geht eine Strasse in Briest der Kommune verloren". Was steckt dahinter?
Eine Strasse in einer Kleinstadt in Brandenburg mit einem Verkehrswert von ca. 500'000 Euro wurde in einer Zwangsversteigerung an den Meistbietenden verkauft.
Er macht das Geschäft seines Lebens, indem er den Zuschlag für eine 5200 Quadratmeter grosse Verkehrsfläche - inklusive Strassenlampen und Wasserlampen - für 1000 Euro bekam. Er erwarb die Mühlenberg Strasse, welche zum Wohnpark am Mühlenberg führt und täglich von mehr als 100 Anwohnern genutzt wird.
"Ich hatte im Internet von der Versteigerung erfahren", sagt Wassim Saab. Dies habe seine Neugier geweckt. Im Versteigerungssaal des Potsdamer Amtsgerichtes war es schwül heiss, Sahara Sand lag in der Luft. Es sassen bereits die Kämmerin Manuela Sass sowie die Bauamtsleiterin Christiane Neumeister des Amtes Beetzsee, die die Strasse für die Stadt Havelsee kaufen sollten, schulmeisterhaft auf Ihren Sitzen. Minuten später wurden die regungslosen Damen vom Amt Zeuginnen des Zuschlags an Wassim Saab. Er zückte die 1000 Euro aus dem Ärmel wie ein vorgefertigter Vertrag aus der Schreibtischschublade. "Mit einem Mitbieter haben wir nicht gerechnet", sagt Bauamtsleiterin Christiane Neumeister. "Da haben wir einen Fehler gemacht." Selbst mitzubieten kam den Damen offenbar nicht in den Sinn.
"Ob ich die Straße jetzt weiter verkaufe oder Gebühren für die Be- und Entwässerung erhebe, muss ich mir noch überlegen", sagte der Geschäftsmann Wassim Saab, der in Berlin-Wilmersdorf ein Übersetzungsbüro betreibt (Arabisch, Deutsch, Englisch). Fest stehe für ihn aber, dass er die Anlieger "nicht übermässig belasten" wolle.
Wie kam es soweit?
Der Wohnpark wurde in den 90er-Jahren errichtet, doch der Investor ging in Konkurs. Pietrucha war der Investor des Anfang der 90er-Jahre errichteten Wohnparks Am Mühlenberg. Seine Firma Baumex Baustoffhandel GmbH war am Ende pleite gegangen.
Neben drei freien Baugrundstücken fiel auch die Erschließungsstraße in die Insolvenzmasse. Die Frankfurter MHB Bank AG beantragte eine Zwangsversteigerung, die vor knapp zwei Wochen im Potsdamer Amtsgericht eröffnet wurde.
View Larger MapMühlenberg-Siedlung
Der ehemalige Investor und jetzige Liquidator des Wohnparks, Ulrich Pietrucha, hatte der Stadt vor längerer Zeit vergeblich angeboten, die Strasse für den symbolischen Euro zu erwerben. Ein entsprechender Vertrag lag bereits im Bauamt. Doch keiner der Beamten ging darauf ein. Die Beamten selbst hatten den Kauf im Vorfeld aus Kostengründen abgelehnt. Zunächst, weil die Strasse angeblich Mängel hatte. Später wollte man die Kosten für den Notar sparen. "Das wären 100 bis 200 Euro gewesen", sagte Pietrucha.
Im Gericht hatten die Beamten nur einen Euro als symbolische Kaufsumme dabei. Die Damen hielten sich für clever und dachten, dass ihnen die Straße für einen Euro zufällt."
Ulrich Pietrucha kann über den Ausgang der Zwangsversteigerung nur den Kopf schütteln. „Seit Jahren liege ich dem Amt Beetzsee in den Ohren, man möge endlich die Straße für einen Euro erwerben. Ein Kaufvertrag liegt längst im Bauamt. Doch die wollten die Notarkosten sparen. So dumm kann man doch gar nicht sein.“
Aufhorchen lässt die Aussage, dass geprüft wird, ob das Geschehene sittenwidrig ist. Für das Amt Beetzsee wird die Sache mit der verpatzten Ersteigerung immer unerquicklicher. Die Anwohner sammeln Unterschriften, Hausbesitzer setzen Protestschreiben auf. Nicht gegen den neuen Straßeneigentümer Wassim Saab. Nein, die Verwaltung bekommt den ganzen Frust über ihre laienhafte Vorgehensweise im Potsdamer Amtsgericht zu spüren. Zwangsversteigerungen sind offene Verfahren, bei denen man mit allem rechnen muss. Die Briester Ortsvorsteherin Eveline Koch hat eine Anwohnerversammlung vorgeschlagen, um die Rechtslage zu erläutern. Amtsdirektorin Simone Hein peilt den September an. Ihre Verwaltung muss sich erst selbst einen Überblick über die Folgen der Versteigerung verschaffen. Havelsee-Bürgermeister Günter Noack hat schwere Vorwürfe gegen das Amt erhoben. „Wenn zwei Spitzenbeamte zur Versteigerung fahren, dann müssen sie auch mitbieten, um Schaden von der Kommune abzuwenden. Zur Not gibt es Handys, um sich abzusichern.“ Für Havelsee könnte die Provinz-Posse juristische Konsequenzen haben. Falls es durch den Fremderwerb zu Kosten für die Anwohner kommt, dürfen sie sich im Zuge der Amtshaftung wehren. "Die Stadt muss die Strasse deshalb von Saab kaufen. Etwas anderes bleibt ihr nicht übrig", so Pietrucha.
Noack hat die Darstellung der Amtsdirektorin, Kämmerin Manuela Sass und Bauamtsleiterin Christiane Neumeister hätten nur die Legitimation für den Verkehrswert von einem Euro gehabt, zurückgewiesen. „Es gab keine Vorgaben, die hätten die Stadtverordneten beschliessen müssen“, so Noack. So ist es eigentlich nicht verwunderlich, wenn Kämmerin Manuela Sass und Bauamtsleiterin Christiane Neumeister nach dem plötzlichen 1000-Euro-Gebot von Saab in Schockstarre verfielen. Jetzt kann es nur noch darum gehen, wie man den Briestern eine verlässliche Zukunft vor ihrer Haustür gestalten kann. Eine private Lösung birgt unwägbare Risiken und Kosten für die Anwohner. Will die Stadt Havelsee ihr Gesicht wahren, muss sie in die Tasche greifen.
Mittwoch, 26. August 2009
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