Mittwoch, 19. November 2008

Ein Bungalow für das beste Bild oder Ferienphoto


Um ihre Schulden zu tilgen, veranstalten manche US-Amerikaner Haus-Lotterien und (Zeichnungs-) Wettbewerbe



Scott Bernard erlitt einen Schock, als er die Nachricht des Maklers vernahm. Mit etwa 120 000 Dollar Erlös könne er beim Verkauf seines Hauses rechnen, sagte ihm der Makler in diesem Sommer. Vor drei Jahren hatte Bernard für den Bungalow aber 217 000 Dollar gezahlt - und den Preis fast vollständig über Kredite finanziert, wie es viele Amerikaner damals taten. "Keiner hat doch damit gerechnet, dass der Markt derartig einbricht", ärgert er sich heute. Doch der 43-jährige Marketing-Consultant fand einen Ausweg: Glücksspiel. Genauer gesagt, ein Malwettbewerb. Der Sieger gewinnt das Haus.

Wie Bernard versuchen in den USA immer mehr verzweifelte Hauseigentümer, ihre Immobilien über Wettbewerbe und Lotterien loszuwerden. Die Idee klingt verrückt, hat aber bei näherer Betrachtung durchaus Logik. Für die Teilnehmer, weil sich die Einsätze in Grenzen halten und die Teilnehmerzahlen begrenzt sind - meist auf einige tausend Bewerber. Die Gewinnchancen sind daher weit höher als im Zahlenlotto. Die Hausbesitzer wiederum profitieren vom Masseneffekt: Wenn genügend Spielernaturen ihr Glück versuchen, kommt mehr Geld zusammen als bei einem Verkauf zu den derzeitigen Marktpreisen.

Schweizer sollten sich eine Beteiligung gut überlegen, denn es gibt Risiken, und es fallen beträchtliche Anschlusskosten an (siehe Interview). In einigen US-Staaten sind Gewinnspiele um Häuser verboten, etwa in New York. Andere Staaten machen Auflagen. In Maryland zum Beispiel sind Lotterien nur zulässig, wenn der Hausbesitzer mit einer gemeinnützigen Organisation kooperiert und diese einen Teil der Einnahmen erhält. In Florida sind Lotterien verboten, Wettbewerbe wie der von Bernard aber erlaubt.

Zu den ersten, die eine Hauslotterie veranstalteten, gehören die Lehrerin Karen Crawford und ihr Mann Dennis Kelly. Das Ehepaar hatte in Hancock (Maryland) ein Landhaus für 375 000 Dollar erworben. Vor einem Jahr wurde klar, dass die beiden den Kredit nicht mehr bedienen konnten. Sie schlossen sich mit der Kinderhilfsorganisation San Mar zusammen und verkauften Lose zum Einzelpreis von 100 Dollar. Der Fernsehsender CNN berichtete über das Projekt. Das förderte den Absatz: Fast 6500 wurden verkauft. Das Projekt schien rundum gelungen: Crawford und Kelly konnten ihren Kredit abbezahlen, San Mar verblieben nach Abzug aller Kosten 214 000 Dollar an Spenden, und der neue Eigner, Dennis Weaver, freute sich. Bis er feststellte, dass er die Steuern nicht bezahlen konnte - der Fiskus behandelte den Gewinn wie ein Zusatz-Einkommen. Jetzt ist es Weaver, der nach einem Käufer für das Landhaus sucht.

Dieses Problem kennt auch Scott Bernard, der seinen Bungalow in der Kleinstadt Sebastian in Florida via Malwettbewerb abstoßen möchte. Er weist auf seiner Webseite darauf hin, dass für US-Bürger Steuern in Höhe von circa 50 000 Dollar anfallen können. Insgesamt sieht Bernards Rechnung so aus: Die Teilnahme an dem Wettbewerb kostet 49 Dollar. Davon werden 3,50 Dollar als Bearbeitungsgebühr abgezogen. Zwei Dollar gehen an eine Wohltätigkeitsorganisation namens Support Dance, die Tanz- und Ballettaufführungen an Schulen unterstützt. Deshalb geht es bei dem Malwettbewerb auch darum, eine Ballettszene zu kolorieren. Eine dreiköpfige Jury wählt die 20 besten Bilder aus, die dann online zur Abstimmung gestellt werden.

Die Mindestzahl der Teilnehmer liegt bei 5400, sodass Bernard knapp 235 000 Dollar erlösen würde. Damit könnte er seinen Kredit abbezahlen und hätte seine Renovierungskosten wieder eingespielt - circa 30 000 Dollar habe er innerhalb von drei Jahren in das Haus investiert, sagt er. "Ich käme dann ohne Verluste aus der Geschichte raus."

Bisher haben sich allerdings erst 36 Teilnehmer angemeldet, die den 140 Quadratmeter großen Bungalow gewinnen möchten. "Ich habe damit gerechnet, dass die Sache langsam anläuft", sagt Bernard. Wenn die Beteiligung so schleppend bleibt, will er den Einsendeschluss - 17. Dezember 2008 - verlängern. Kommen auch dann nicht genügend Teilnehmer zusammen, werde das Geld, das bei einem Treuhänder hinterlegt sei, abzüglich Bearbeitungsgebühr und Spende zurückgezahlt, versichert Bernard.

Aber nicht nur Privatleute verlegen sich auf Hauslotterien. Um das knappe Schulbudget aufzubessern und Schulden durch einen Anbau abzubauen, lud auch die Mount Madonna School in Santa Cruz zu einer Verlosung ein. Hauptpreis war eine 1,8 Millionen-Villa in Bestlage nahe des Pazifiks. Damit die Sache funktioniert, hätten allerdings mindestens 26 000 Lose verkauft werden müssen. Tatsächlich wurden nur etwa 19 000 abgesetzt. Die Teilnehmer, die für ein Los 150 Dollar berappen mussten, beschwerten sich trotzdem nicht - "der Einsatz war ja für einen guten Zweck", sagt Lotterie-Teilnehmerin Katrina Garcia Hernandez. Und statt des Hauses wurden lukrative Geldpreise verteilt: der Hauptsieger erhielt eine Million. Für die Schule blieb trotzdem mehr als eine Million Dollar übrig.

Bernard hat gelesen, dass es etwa neun Millionen US-Bürger gibt, die in der gleichen Lage sind wie er - ihr Haus ist auf dem freien Markt weniger wert als die Schulden, die sie zur Finanzierung aufgenommen haben. "Wenn sie eine Zwangsversteigerung vermeiden möchten, ist ihre einzige Chance ein Wettbewerb." Mit typisch amerikanischem Unternehmergeist hat er daher aus der eigenen Not gleich eine Geschäftsidee entwickelt: Er bietet jetzt auch anderen Hauseigentümern an, ihre Immobilien auf der Website Howtowinmyhouse.com zu präsentieren. Circa 30 haben bislang Interesse bekundet. Ein weiteres Objekt steht schon auf der Liste, das "Korponai Delray Beach Home" in Florida. Der Wettbewerb ist noch nicht angelaufen, es wird aber darum gehen, möglichst schnell fünf zufällig ausgewählte Fragen zu beantwortet. Die Teilnahme kostet 55 Dollar; jeweils 1,50 Dollar erhält eine Privatinitiative zur Unterstützung eines Waisenhauses in Kamerun.

"Es ist doch viel schöner, wenn man nicht nur sich selbst hilft, sondern auch anderen Menschen", sagt Bernard. Auf Marketing, so viel ist sicher, versteht sich dieser Mann.

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